Außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung
LArbG Köln vom 20.06.2024 – 8 Sa 560/23
Zur außerordentlichen krankheitsbedingten Kündigung bei tariflich bereits unkündbaren Mitarbeitern.
Kernaussage
Auch bei tariflich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern kann eine außerordentliche krankheitsbedingte Kündigung mit Auslauffrist zulässig sein – vorausgesetzt, die Belastung des Arbeitgebers durch Entgeltfortzahlung überschreitet dauerhaft ein Drittel der jährlichen Arbeitstage. Dies stellt das LArbG Köln in seiner aktuellen Entscheidung klar.
Der Fall
Im vorliegenden Fall kündigte eine Arbeitgeberin einem über 40 Jahre beschäftigten Arbeitnehmer außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum Jahresende 2023. Das Arbeitsverhältnis unterlag dem TVöD, der eine ordentliche Kündigung bei langer Betriebszugehörigkeit ausschließt. Hintergrund der Kündigung waren erhebliche krankheitsbedingte Fehlzeiten in den drei Jahren vor der Kündigung.
Das Gericht stellte fest:
- Im Jahr 2020/21: 182 Krankheitstage, davon 67 mit Entgeltfortzahlung
- Im Jahr 2021/22: 77 Krankheitstage, davon 67 mit Entgeltfortzahlung
- Im Jahr 2022/23: 92 Krankheitstage, davon 92 mit Entgeltfortzahlung
Entscheidend war die Prüfung der sogenannten Äquivalenzstörung – also ob das Verhältnis von Leistung (Arbeitszeit) zu Gegenleistung (Vergütung) noch im Rahmen des Zumutbaren liegt. Eine außerordentliche Kündigung wegen Krankheit erfordert laut Bundesarbeitsgericht eine besonders gravierende Störung dieses Gleichgewichts.
Da im maßgeblichen Referenzzeitraum nur im letzten Jahr die kritische Schwelle von einem Drittel überschritten wurde und keine zusätzlichen betrieblichen Belastungen wie etwa gravierende Ablaufstörungen vorlagen, wurde die Kündigung für unwirksam erklärt.
Bedeutung für die Praxis
Das Urteil bestätigt die hohen Hürden für eine krankheitsbedingte Kündigung bei tariflicher Unkündbarkeit. Selbst eine erhebliche Anzahl an Fehltagen reicht nicht aus, wenn die durchschnittliche Entgeltfortzahlung über drei Jahre nicht über einem Drittel der Arbeitstage liegt. Zudem müssen konkrete betriebliche Störungen oder wirtschaftliche Belastungen dargelegt werden.
Für Arbeitgeber bedeutet das: Eine außerordentliche Kündigung kommt erst in Betracht, wenn die Entgeltfortzahlung in mehreren aufeinanderfolgenden Jahren deutlich über der genannten Schwelle liegt – oder wenn ergänzende, besondere betriebliche Umstände hinzukommen. Andernfalls wird der Schutz durch tarifvertragliche Unkündbarkeit gestärkt.
Tipp für die Praxis: Bei der Berechnung sollten ausschließlich tatsächliche Arbeitstage zugrunde gelegt werden, also ggf. Urlaubstage abgezogen werden. Auch eine präzise Dokumentation der Krankheitszeiträume und der Einleitung des Beteiligungsverfahrens ist unerlässlich.
Die Entscheidung unterstreicht damit erneut die strengen Anforderungen an krankheitsbedingte Kündigungen – gerade in besonders geschützten Arbeitsverhältnissen.