Urteil zur freien Mitarbeit im Krankenhaus

Zur Versicherungspflicht einer Krankenschwester für die Tätigkeit in mehreren Krankenhäusern.

 

Die Entscheidung

Das Sozialgericht Heilbronn hatte sich in einer Entscheidung vom 01.02.2017 (Aktenzeichen S 10 R 3237/15) mit der Frage zu beschäftigen, ob bei einer – nach den vertraglichen Regelungen – ausdrücklich als freie Mitarbeiterin beschäftigten Pflegekraft ein Arbeitnehmerstatus und folglich die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken-, sozialen Pflege- und Arbeitslosenversicherung bestand. Die Mitarbeiterin war in mehreren Krankenhäusern beschäftigt. Im Ergebnis ist das Sozialgericht zu der Auffassung gelangt, dass eine abhängige Beschäftigung insbesondere aufgrund der Einbindung der Krankenschwester in die betriebliche Organisation des Krankenhauses vorlag und hat die Sozialversicherungspflicht in der Folge bejaht.

 

Der Fall

Geklagt hatte eine Krankenschwester für Anästhesie und Intensivmedizin. Sie war durch ein Unternehmen gemeinsam mit anderen Pflegekräften als „freie Mitarbeiterin“ an verschiedene Krankenhäuser vermittelt worden. Sie hatte mit dem zum Verfahren beigeladenen Krankenhaus einen gesonderten Vertrag über die Tätigkeit als Intensivfachkraft abgeschlossen und hierüber eine Vergütung in Höhe von über 17.000 Euro für einen Zeitraum von drei Monaten erhalten. In dem Vertrag war unter anderem ausdrücklich festgehalten worden, dass sie „Dienstleistungen“ entsprechend des Berufsbilds einer Pflegefachkraft erbringe und nicht im Rahmen eines Arbeitnehmerverhältnisses beschäftigt werde.

Seitens der Rentenversicherung wurde im Rahmen eines Statusfeststellungsverfahrens sodann entschieden, dass es sich tatsächlich um eine abhängige Beschäftigung mit entsprechenden Folgen für die Sozialversicherungspflicht gehandelt habe. Gegen diese Entscheidung ging die betroffene Intensivkrankenschwester dann mit der Klage vor dem Sozialgericht Heilbronn vor.

 

Die Begründung

Für das Gericht war insbesondere ausschlaggebend, dass die Klägerin in die betriebliche Organisation des Krankenhauses eingebunden war. Sie habe Patienten bei Dienstantritt von den zuvor tätigen Kolleginnen und Kollegen übernommen und anschließend wieder an diese übergeben. Sie sei weiter den ärztlichen Anweisungen unterstellt gewesen und auch durch die pflegerische Stationsleitung kontrolliert worden. Bei alldem habe Sie neben angestellten Pflegekräften des Krankenhauses die im Wesentlichen gleichen Aufgaben erfüllt. Schließlich habe sie kein wirtschaftliches Risiko getragen, da ein festes Stundenhonorar vereinbart gewesen sei. Es habe allein ein Einkommensrisiko bestanden, welches aber jeden Arbeitnehmer treffen könne. Die Tatsache, dass sich das Krankenhaus dahingehend eingelassen habe, dass diese Form der vertraglichen Bindung aufgrund des bestehenden Personalmangels gewählt worden sei, rechtfertige im Übrigen nicht die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit. Das Urteil ist zwischenzeitlich rechtskräftig.

 

Bewertung und Hinweise

Das Sozialgericht Heilbronn geht in seiner Entscheidungsfindung die wesentlichen, von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Abgrenzung der „freien“ bzw. selbstständigen Mitarbeit von einer Tätigkeit in abhängiger Beschäftigung nacheinander durch und kommt zu einem, für den Einzelfall folgerichtigen Ergebnis. Die Tätigkeit in der Pflege ist im Krankenhaus regelmäßig gerade durch die Integration in den Stationsablauf geprägt und die Tätigkeit wird neben dort angestellten und in gleicher Weise tätigen Kolleginnen und Kollegen ausgeübt. Die Tätigkeit in freier Mitarbeiterschaft ist in diesem Bereich daher grundsätzlich kritisch zu betrachten gewesen. Die ausdrückliche Benennung einer Tätigkeit als „frei“ kann dabei zwar ein (durchaus sehr wichtiger) Hinweis auf den Willen der Parteien sein – sie kann aber nicht einen eigentlich bestehenden Arbeitnehmerstatus in einen selbstständigen Status umwandeln. Auch dies ist zweifellos richtig und das SG Heilbronn liegt insofern auf einer Linie mit der bestehenden Rechtsprechung.

Gleichwohl: Nicht jeder von der Rentenversicherung derzeit im Gesundheitswesen kritisch hinterfragte Sachverhalt ist zwingend auf einer Linie mit der Rentenversicherung zu lösen. Je selbstständiger und von der Organisation und Struktur eines bestehenden Betriebs unabhängiger eine abgrenzbare Leistung zu erbringen ist und je mehr dabei auch ein wirtschaftliches und unternehmerisches Risiko für die jeweilige Person besteht, desto mehr kann durchaus eben doch von einer möglichen „freien“ Mitarbeit ausgegangen werden. Beispielsweise im Bereich der honorarärztlichen Tätigkeit gibt es ohne Zweifel Konstellationen, bei denen die maßgeblichen Kriterien ganz überwiegend bejaht werden können und in der Folge eine selbstständige Tätigkeit anzunehmen ist. Hier empfiehlt sich in aller Regel aufgrund der denkbaren Risiken die Durchführung eines Statusfeststellungsverfahrens möglichst im Voraus. Die anwaltliche Begleitung im Hintergrund sollte dabei gleichfalls überdacht werden.