Entscheidung zur Sonderbedarfszulassung als Psychotherapeut
(28.06.2017 – B 6 KA 28/16 R)

Hintergrund

Das Bundessozialgericht (BSG) hatte sich in seiner Entscheidung vom 28.6.2017 (B 6 KA 28/16 R) insbesondere mit der Frage auseinanderzusetzen, inwieweit die vertragsärztlichen Zulassungsgremien den tatsächlichen Versorgungsbedarf überprüfen müssen. 

Konkret ging es um eine Sonderbedarfszulassung im psychotherapeutischen Bereich. Gerade hier sind bekanntermaßen trotz hoher Versorgungsrade – also einer relativ großen Anzahl an regional zugelassenen Psychotherapeuten – lange Wartezeiten der Patienten auf einen Therapieplatz keine Seltenheit. Insofern ist es auch aus praktischer Sicht sehr erfreulich, dass das BSG die Sichtweise der Vorinstanzen bestätigt hat. Nach Auffassung der Gerichte besteht ein Anspruch des antragstellenden Psychotherapeuten auf erneute Entscheidung über seinen Antrag. Der Zulassungsausschuss hat dabei den tatsächlichen Bedarf zu ermitteln und in diesem Zusammenhang beispielsweise auch Informationen von den Krankenkassen über regional genehmigte Kostenübernahmen im Erstattungsverfahren einzuholen. 

Kern der Entscheidung

Der Kläger als psychologischer Psychotherapeut erbringt bereits seit dem Jahr 2009 Leistungen im Bereich der Verhaltenstherapie. Eine vertragsärztliche Zulassung lag bislang nicht vor. Die Behandlung erfolgte gegenüber gesetzlich versicherten Patienten daher im Rahmen des Kostenerstattungsverfahrens.

Als Verhaltenstherapeut hat sich der Kläger auf sexualtherapeutische Behandlungen und auf die Behandlung psychischer Störungen infolge onkologischer Erkrankungen spezialisiert. Aus seiner Sicht war der Antrag auf Erteilung der Sonderbedarfszulassung an den Zulassungsausschuss begründet, da der Bedarf in diesen Feldern nicht gedeckt sei. Die Zulassungsgremien lehnten den Antrag jedoch in der Folge ab. Begründung: In Berlin bestehe eine Überversorgung mit fast 200 Prozent. Die Region Friedrichshain-Kreuzberg sei dabei mit 158 Prozent ebenfalls mit Psychotherapeuten überversorgt. Die Zulassungsgremien gingen dabei nicht konkret auf die inhaltliche Tätigkeit des Klägers oder dessen Tätigkeit als Verhaltenstherapeut bzw. den verhaltenstherapeutischen Bedarf ein. Nach der Verwaltungspraxis der KV Berlin wurden nämlich Anträge auf Erteilung einer Sonderbedarfszulassung ab einer formellen Überversorgung von mehr als 140 Prozent nicht mehr näher überprüft.

Bereits erstinstanzlich hatte das Sozialgericht dem Kläger Recht gegeben und den Bescheid aufgehoben. Der beklagte Zulassungsausschuss wurde zur Neubescheidung verpflichtet. Das sodann im Rahmen des Berufungsverfahrens zuständige Landessozialgericht hat diese Entscheidung bestätigt. Es hat weiter ausgeführt, dass der Antrag des Klägers nicht ohne eine eingehende Ermittlung zur tatsächlichen Versorgungslage (z. B. durch die Befragung von Psychotherapeuten zu Wartezeiten und durch die Erhebung der Zahl der im Rahmen von Kostenerstattungsverfahren bewilligten Verhaltenstherapien) hätte abgelehnt werden dürfen. 

Nach Auffassung der Gerichte und nunmehr auch des BSG ist demnach eine pauschal begründete Zurückweisung durch die Zulassungsgremien inakzeptabel.