Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Rente bei Berufsunfähigkeit
(Az.: IV ZR 535/15)

Der Fall

Die Klägerin des Verfahrens war in der Position einer Hauswirtschafterin in einer großen Rechtsanwaltskanzlei tätig. Sie betrieb dort für die Kanzlei eine Kantine für 15 bis 30 Personen. Zu diesem Zweck führte sie auch selbst die nötigen Einkäufe durch. Weiterhin übernahm sie die Reinigung der Kanzleiräume.

In der Folge eines schweren Treppensturzes war die Klägerin nicht mehr in der Lage, die zum Teil schweren Einkäufe zu transportieren und musste in der Folge ihre Arbeitsstelle aufgeben. Sie wandte sich aufgrund einer abgeschlossenen Police an ihre private Berufsunfähigkeitsversicherung und beantragte die vereinbarte Rente. Voraussetzung war nach dem vorliegenden Vertrag eine Berufsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent. Die beklagte Versicherung lehnte die Rentenzahlung erst einmal ab, da dieser Grad der Berufsunfähigkeit nicht erreicht werde. Hiergegen zog die Hauswirtschafterin vor Gericht. Der Fall landete schließlich in letzter Instanz beim BGH.

Die gerichtlich bestellten Gutachter der Vorinstanzen bewerteten die Berufsunfähigkeit der Klägerin mit nur 20 Prozent. Die Einkäufe hätten zeitlich nur einen geringen Anteil der Arbeit ausgemacht.

Die Entscheidung

Der BGH sah dies nun ganz anders:

Allein auf einen isoliert betrachteten und konkret nicht mehr möglichen Teil der Verrichtungen könne es allenfalls dann ankommen, wenn es sich um eine tatsächlich abtrennbare Einzelverrichtung handele. Dies sei aber nicht der Fall, wenn eine solche Tätigkeit gerade untrennbarer Bestandteil eines beruflichen Gesamtvorgangs sei.

Und genau dies war hier der Fall. Der Betrieb der Kantine stellte die Hauptaufgabe der Hauswirtschafterin dar. Hierzu gehörten auch untrennbar die für den Betrieb notwendigen Einkäufe. Vor diesem Hintergrund konnte die Klägerin nach dem Unfall ihre arbeitsvertraglichen Pflichten insgesamt nicht mehr erfüllen.

Das Oberlandesgericht Stuttgart muss nach dem Urteil der Karlsruher Richter den Grad der Berufsunfähigkeit neu festlegen. Unter Zugrundelegung der vom BGH nunmehr getätigten Aussagen ist es gut denkbar, dass ein Grad der Berufsunfähigkeit von über 50 und eine Rentenzahlung an die Klägerin die Folge sein wird.

Fazit

Versicherungsunternehmen dürfen entgegen der oft gesehenen Praxis die Leistungen aus einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung nicht allein danach berechnen, welche Zeitanteile die konkret nicht mehr möglichen Tätigkeiten an der früheren Erwerbstätigkeit hatten. Sofern eine Tätigkeit einen „untrennbaren Bestandteil eines beruflichen Gesamtvorgangs“ darstellt, kommt es vielmehr auf die Auswirkungen auf den gesamten Arbeitsprozess an.