Entscheidung zum Grad der Behinderung (GdB) bei mehreren Beeinträchtigungen

Bei Streitigkeiten über den Grad der Behinderung (GdB) geht es regelmäßig auch um die Frage, inwieweit mehrere Beeinträchtigungen sich in ihrer Gesamtheit erhöhend auf den festzustellenden GdB auswirken. Ablehnende Entscheidungen der Behörden sind oftmals lediglich formelhaft begründet und würdigen kaum den jeweiligen Einzelfall. Dies ist für die Betroffenen sehr unbefriedigend.

Der 13. Senat des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg hat zum Thema der Bewertung mehrerer Beeinträchtigungen am 14.03.2013 ausgeführt:

„… Der Beklagte war antragsgemäß unter Änderung seiner entgegenstehenden Bescheide zu verpflichten, bei der Klägerin ab Februar 2010 einen GdB von 60 festzustellen.

Rechtsgrundlage ist § 69 Absatz 1 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch/Neuntes Buch (SGB IX). Danach hat der Beklagte auf Antrag der Klägerin den GdB festzustellen. Weil bei der Klägerin mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vorliegen, ist der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzustellen. Die Einzelheiten hierzu sind in der VersMedV, insbesondere unter A. 3., geregelt. Danach ist von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird.

Dies führt vorliegend nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens, § 128 SGG, zur Überzeugung des Senats zu einem GdB von 60. Auszugehen war von der führenden Funktionsbeeinträchtigung, d. h. dem psychischen Leiden der Klägerin, das mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten war. Daneben sind bei der Klägerin vier einzelne weitere GdB festzustellen, nämlich der Diabetes mellitus, das Kniegelenksleiden, die Harninkontinenz und die Schuppenflechte, die jeweils mit einem einzelnen GdB von zumindest 20 zu bewerten sind. Zwar ist nach A 3. d) ee) VersMedV es bei Einzel-GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Indessen hat vorliegend auch der Beklagte anerkannt, dass jedenfalls zwei dieser zusätzlichen Einzelbehinderungen, nämlich der Diabetes und das Kniegelenksleiden, den GdB insgesamt um jeweils 10 erhöhen. Zur Überzeugung des Senats gilt dies darüber hinaus auch für die Harninkontinenz, denn die hiervon ausgehenden Funktionsbeeinträchtigungen enthalten weitere Einschränkungen für die Teilhabe, die sich nicht mit den anderen Funktionsbeeinträchtigungen überlagern, sondern diese im Gegenteil wesentlich verstärken. Der Senat hat keine Zweifel daran, dass die Einschränkungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, die das psychische Leiden, der Diabetes und das Kniegelenksleiden auslösen, durch die Harninkontinenz noch erheblich verstärkt werden. Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob eine solche verstärkende Wirkung auch von der Schuppenflechte ausgeht, denn auch ohne diese wird der von der Klägerin begehrte GdB von 60 bereits erreicht. …“

(Landessozialgericht Berlin-Brandenburg 13. Senat 14.03.2013 – L 13 SB 191/12 Urteil)