Bundesarbeitsgericht vom 24.06.2015 – unwirksame Befristung

Bundesarbeitsgericht (BAG) zur Rechtsmissbräuchlichkeit einer sachgrundlosen Befristung

BAG vom 24.06.2015 – 7 AZR 474/13

Leitsatz

Für die Geltendmachung eines Rechtsmissbrauchs durch Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung gelten die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast. Der Arbeitnehmer genügt zunächst der ihm obliegenden Darlegungspflicht, wenn er einen Sachverhalt vorträgt, der die Missbräuchlichkeit der Befristung nach § 242 BGB indiziert. Gelingt ihm dies, so hat sich der Arbeitgeber nach § 138 Abs. 2 ZPO im Einzelnen auf diesen Vortrag einzulassen.

 

Der Fall

Der Kläger war von Herbst 2007 bis zum 31. Dezember 2008 auf der Grundlage eines befristeten Vertrags bei einer IT-Servicegesellschaft beschäftigt. Diese nahm Aufgaben für die Bundesagentur für Arbeit wahr. Im unmittelbaren Anschluss daran beschäftigte die Bundesagentur den Kläger aufgrund eines ebenfalls befristeten Arbeitsvertrags vom 1. Januar 2009 bis 31. Dezember 2010 auf dem faktisch gleichen Arbeitsplatz. Die Tätigkeit setzte er sodann seit dem 1. Januar 2011 auch bei der beklagten Kommune auf der Grundlage eines ebenfalls befristeten Arbeitsvertrags bis zum 31. Dezember 2011 fort.

Der Kläger erhob schließlich die Entfristungsklage. Hiermit war er dann allerdings erst vor dem BAG erfolgreich. Das BAG nahm zunächst einmal an, dass die formalen Voraussetzungen einer sachgrundlosen Befristung gegeben seien könnten. Die Vorbeschäftigung des Klägers bei der Servicegesellschaft und der Bundesagentur für Arbeit stehe der Zulässigkeit einer erneuten sachgrundlosen Befristung bei der Beklagten grundsätzlich nicht entgegen. Es handle sich um unterschiedliche juristische Personen im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz TzBfG.

Aber: Das BAG kam jedoch zu dem Schluss, dass es der Beklagten nach Treu und Glauben verwehrt sein könne, sich auf die Befristungsmöglichkeit des § 14 Abs. 2 TzBfG zu berufen. Die Ausnutzung der durch das TzBfG vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten könne rechtsmissbräuchlich sein, wenn mehrere – rechtlich und tatsächlich verbundene – Arbeitgeber im bewussten und gewollten Zusammenwirken aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge mit einem Arbeitnehmer ausschließlich deshalb schließen, um auf diese Weise über die nach § 14 Abs. 2 TzBfG vorgesehenen Befristungsmöglichkeiten hinaus sachgrundlose Befristungen aneinanderreihen zu können (Tatbestand der Umgehung).

Die Darlegungs- und Beweislast für eine missbräuchliche Vertragsgestaltung liege dabei beim Arbeitnehmer. Allerdings seien die Grundsätze der abgestuften Darlegungs- und Beweislast anzuwenden. Der Arbeitnehmer müsse zunächst einmal Indizien vortragen, welche Rückschlusse auf eine Missbräuchlichkeit der Befristung zulassen. Dann müsse wiederum der Arbeitgeber die vorgetragenen Tatsachen/Indizien konkret bestreiten oder Umstände vorbringen, die eine andere Bewertung nahelegen. Das BAG verwies den Rechtsstreit schließlich an das Landesarbeitsgericht (Vorinstanz) zurück, da diese Rechtsgrundsätze bei dessen Entscheidungsfindung keine ausreichende Beachtung gefunden hatten.

 

Bewertung und prozesstaktische Auswirkungen

Das BAG festigt mit der Entscheidung seine bisherige Rechtsprechung zur Darlegungs- und Beweislast bei der Überprüfung von sachgrundlosen Befristungsabreden auf einen etwaigen Rechtsmissbrauch.

Im Prozess sollte der Arbeitnehmer dringend Indizien für einen Missbrauch aktiv vortragen. Diese können z. B. in einer de facto ununterbrochenen Beschäftigung auf demselben Arbeitsplatz, einer Mehrzahl von rechtlich und tatsächlich verbundenen Arbeitgebern oder der gezielten Weitervermittlung des Arbeitnehmers zwischen verschiedenen Arbeitgebern zu sehen sein. Im Kern kommt es darauf an, ob ein gezieltes (systematisches) Zusammenwirken erkennbar wird oder zumindest naheliegt.

Der Arbeitgeber wird sodann das Ziel verfolgen müssen, diese Indizien durch konkretes Bestreiten zu entkräften. Alternativ oder zusätzlich wird er versuchen, Tatsachen vorzutragen, welche eine andere Bewertung nahelegen.