Bundesarbeitsgericht: Entschädigung wegen Diskriminierung (8 AZR 375/15)

Kontext der Entscheidung

Nach § 15 Abs. 2 AGG kann ein Beschäftigter (oder eben ein Bewerber) wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung ist dabei für den Fall der Nichteinstellung auf maximal drei Monatsgehälter begrenzt, wenn der Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.

Hierzu hatte das Bundesarbeitsgericht am 11.8.2016 eine Entscheidung zu treffen. Im Ergebnis wurden die Rechte Schwerbehinderter aus dem AGG im Rahmen von Bewerbungsverfahren auf einen Arbeitsplatz klar gestärkt.

 

Der Sachverhalt

Eine später beklagte Stadt schrieb im Jahr 2013 die Stelle eines Technischen Angestellten mit Leitungsaufgaben aus. In der Stellenausschreibung wurden weitere spezifisch-fachliche Qualifikationen benannt, die erwartet würden. Beim Kläger lag wiederum ein Grad der Behinderung von 50 und somit eine Schwerbehinderung vor. Grundsätzlich konnte er dabei durchaus einschlägige Qualifikationen aufweisen. Er bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle und fügte seinem Bewerbungsschreiben zudem einen ausführlichen Lebenslauf bei. Die beklagte Stadt lud ihn jedoch nicht zu einem Vorstellungsgespräch ein und entschied sich stattdessen für einen anderen Bewerber.

Der Kläger machte sodann gegenüber der Beklagten einen Entschädigungsanspruch geltend. Er trug vor, dass er innerhalb des Auswahlverfahrens wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden sei. Es habe eine Verpflichtung bestanden, ihn zu einem Vorstellungsgespräch gleichfalls einzuladen (das ist korrekt: siehe § 82 SGB IX). Schon hierdurch sei die Vermutung begründet, dass er wegen seiner vorliegenden Schwerbehinderung benachteiligt worden sei. Die Beklagte war dagegen der Auffassung, sie sei nicht verpflichtet gewesen, den Kläger einzuladen, denn dieser sei für Stelle offenkundig nicht geeignet.

 

Die Entscheidung

In der ersten Instanz wurde dem Kläger Recht gegeben und eine Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von drei Bruttomonatsverdiensten wurde ausgeurteilt. In der zweiten Instanz wurde durch das Landesarbeitsgericht der Entschädigungsbetrag zwar auf einen Monatsverdienst gekürzt. Die Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigungssumme an den Kläger wurde jedoch bestätigt.

Die beklagte Stadt legte daraufhin Revision vor dem Bundesarbeitsgericht ein – und unterlag.

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Überlegungen der Vorinstanzen, dass bereits dadurch, dass der Kläger nicht zu dem Vorstellungsgespräch eingeladen worden war, die Vermutung begründet werde, dass er wegen seiner Schwerbehinderung diskriminiert worden sei. Die Angaben des Klägers in seiner Bewerbung würden zudem keine Grundlage dafür bieten, ihm schlichtweg jegliche fachliche Eignung abzusprechen.

 

Bewertung

Wie jedes Schutzgesetz hat auch das AGG durchaus negative Auswüchse zur Folge gehabt. Dabei ist z. B. die Praxis des sogenannten „AGG-Hoppings“ zu nennen. Hiermit ist das systemhafte Ausnutzen der erwähnten Entschädigungsregelung durch einzelne Personen bei zahlreichen Arbeitgebern hintereinander ohne echte Bewerbungsabsicht gemeint.

Die Zielrichtung des AGG ist jedoch gleichwohl natürlich richtig und sehr wichtig. Wer sich als Schwerbehinderter im Rahmen eines Bewerbungsverfahrens diskriminiert sieht, sollte daher durchaus prüfen, ob hier nicht rechtliche Schritte möglich sind. Der Entscheidung des BAG vom 11.8.2016 kommt in diesem Zusammenhang eine wichtige Bedeutung zu.

 

(Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 11.8.2016 – 8 AZR 375/15)